In der zweiten Märzhälfte ließ ich mich von Hagen Metzler von den Whiskygraphen zu einer Veranstaltung überreden. Es ging um ein Foodpairing-Event mit der Genussbotschafterin Annick Seiz. Ich bin nun nicht unbedingt der große Fan derartiger Events. Eigentlich bin ich hier ein eher sturer Purist, der seinen Whisky lieber ohne weitere (verfälschende) Einflüsse genießt. In diesem Fall gab es aber doch ein paar Umstände, die mich neugierig machten. Zum einen hatten mich die Ausführungen von Annick im Life-Stream mit Whisky-Jason damals sehr interessiert, zu zweiten waren die Teilnehmer der ersten derartigen Veranstaltung begeistert und zu guter Letzt ging es hier nicht nur um Whisky und Food, sondern um Aromen-Spiele allgemein, es waren auch noch weitere Spirituosen im Line-Up. Das alles waren Gründe, warum ich mich von Hagen zu dieser Veranstaltung 'verleiten' ließ.
Die folgenden Whiskys und Spirituosen kamen für das Food-Pairing zum Einsatz:
Aus dem eigenen Bestand ein Basic Scotch/Blended/Irish Whiskey/Bourbon/Rye für den Cocktail als Opener und ein Scotch Whisky, leicht rauchig, mehr würzig. Für mich hatte ich hierfür einen Johnny Walker 10 Jahre Rye Cask Finish und ein Talisker Triple Matured ausgesucht. Der Rest der benötigten Spirituosen war als Sampleset zu bestellen. Dazu gehörten der Cognac Rémy Martin 1738, die Whiskys Mackmyra Vintersol, Paul John Oloroso Select Cask, Port Charlotte 10 der Kräuterlikör Original Brasilberg da casa Underberg do Brasil und der Pfirsichlikör Pêcher Mignon .
Die Food-Komponenten der Pairing-Veranstaltung klangen, für die gemeinsame Verkostung mit den Spirituosen, auch recht abenteuerlich. Neben einigen recht 'normalen' Pairing-Komponenten, wie Schokolade, Karamell, diversem Obst und Kaffeebohnen, standen auch weniger eingängige Komponenten auf dem Einkaufszettel. Da gab es schwarzen Tee (kalt), Olivenöl, Rübenkraut, Curry Pulver, Stangensellerie, geräucherte grobe Leberwurst (bzw. für mich eine vegane Alternative), Speck knusprig gebraten oder vegetarische Alternative = Rauchmandeln, Parmesan (oder Alternative).
Es durften aber auch nach Gutdünken andere Sachen vorbereitet werden, frei nach dem 'Rumfort'-Prinzip (alles, was rum liegt und fort muss)
Als Starter in den Abend, hatte Annick zwei Cocktails vorgesehen. Einen Horse's Neck oder einen Whisky Sour. Ich hatte mich für eine dritte Variante entschieden, und mir einen Rusty Nail gemixt.
Während wir mit dem flüssigen Starter beschäftigt waren, gab uns Annick eine kleine Einführung in die Grundlagen des Food Pairing, wie z.B. den Grundsatz 'mit allen Sinnen genießen'. Auch unterschiedliche Arten/Konsistenzen der eingesetzten Lebensmittel sind wichtig: 'Etwas Krosses, etwas Weiches , etwas Öliges'. So Klassiker, wie z.B. Whisky und Schokolade sind zwar zwischenzeitlich allgemein bekannt und werden oft angeboten, sind aber auch deshalb schon nicht mehr wirklich interessant.
Für die Findung von geeigneten Paarungen gibt es verschiedene Ansätze. Zum einen den aromatischen Ansatz, bei dem Hauptaromen verstärkt werden, andererseits gibt es einen Ansatz auf molekularer Ebene. Hierbei werden eher unzusammenhängende Genuss- oder Nahrungsmittel kombiniert, die ein ähnliches Spektrum (wie im Spektrometer) aufweisen. Dafür gab es ein, für mich, sehr eindrucksvolles Beispiel:
Schwarzer Tee und Olivenöl auf einem Löffel gemischt (was man normalerweise eher selten macht) und gemeinsam in den Mund genommen, ergab den aufregenden Geschmack von … Wasser. Die beiden Lebensmittel weisen dasselbe Spektrum auf und neutralisieren sich dadurch in den Aromen. Für mich schon das erste Aha-Erlebnis des Abends.
Eine weitere Neuigkeit für mich war, dass sich teilweise Apfel besser zur Neutralisation bei Verkostungen eignet als Weißbrot. Das wurde für den Rest des Abends natürlich probiert und bestätigt.
Nicht ganz so neu war für mich die retronasale-Aromawahrnehmung, was so viel bedeutet, wie: Beim Verzehr von Lebensmitteln werden die freigesetzten, flüchtigen Aromastoffe über den Rachenraum in die Nasenhöhle zu den olfaktorischen Rezeptorzellen transportiert. (-> Quelle: Wikipedia)
Dann ging es mit den Spirituosen-Paarungen des Abends los. Ich werde hier allerdings nur auszugsweise versuchen, meine Eindrücke wiederzugeben. Das Meiste ist schwer zu beschreiben und sollte bei Gelegenheit selbst ausprobiert werden.
Den Anfang machte der Cognac Rémy Martin 1738 (wenn das Sample auch die Nummer 3 hatte). Dieser Cognac soll die Brücke schlagen zwischen Cognac und Whisky aufgrund der Aromen mit Karamell, Popcorn und Zitrone. Es ist ein durchaus empfehlenswerter Vertreter seiner Gattung.
Kombination a) Karamell + Zitruszeste + Cognac -> Fruchtige Noten treten deutlich stärker hervor
Kombination b) Karamell + Speck + Cognac -> wesentlich intensiver und tiefer
Dann kam der erste Whisky, der Mackmyra Vintersol . Auch wenn Susanne Appold eigentlich als Gast unter den Teilnehmern war, wurde sie doch von Annick dazu überredet, diesen Whisky vorzustellen, was sie dann auch in perfekter Manier tat.
Kombination a) Banane + Speck + Whisky -> weich und flauschig, wie eine Kuscheldecke (O-Ton Annick, was ich in diesem Fall leider nicht ganz nachvollziehen konnte)
Kombination b) Banane + Rübensaft + Whisky -> Bitternoten verstärkt, eine, für mich, nicht empfehlenswerte Kombination (aber ein interessanter Effekt)
Der nächste Whisky war der Paul John Oloroso Select Cask . Zur Vorstellung dieses Whiskys war eigens ein Repräsentant von Paul John zum Zoom-Meeting 'angereist'. Shilton Almeida gab sich die Ehre und stellte uns diesen Whisky vor
Kombination a) Schokolade + Curry + Whisky -> Geil!!! Süß, würzig, komplex!!!!!
Kombination b) Kaffeebohnen + Zitronenzeste + Whisky -> schärfer, trocken, wenig Süße
In der nächsten Runde kam der Whisky aus dem Eigenbestand zum Einsatz. Es sollte ein Scotch Whisky sein, leicht rauchig, mehr würzig
(z.B. Bowmore 15/18 oder Old Pulteney Huddart). Meine Wahl fiel auf den Talisker Triple matured
Kombination a) Karamell + Sellerie + Schwarzer Tee + Whisky -> Talisker und Sellerie explodieren aromatisch im Mund gefolgt von Karamellsüße
Kombination b) Rauchmandeln + Rübensaft + dunkle Schokolade + Whisky -> verstärkt die Süße und den Rauch (funktionierte auch mit dem Laphroaig Cairdeas Madeira Finish
Die Reihe der Whisky-Paarungen wurde vervollständigt mit dem Port Charlotte 10 Jahre . Es wurde herzhaft.
Kombination a) gerauchte Leberwurst auf Brot/Cracker + Whisky
Kombination b) Rauchmandel + Kaffeebohne + Schokolade + Parmesam + Whisky
Kombination c) gerauchte Leberwurst auf Brot/Cracker + Whisky + Apfel + Rauchmandel
-> alles überraschend gute Kombinationen, die mal mehr die Rauchtöne oder mehr die Süße hervorhoben
Zum Abschluss der eigentlichen Veranstaltung gab es noch ein weiteres Experiment. Übrig waren noch die beiden Liköre Pêcher Mignon und Original Brasilberg do casa Underberg
Es wurde nun je ein Glas befüllt mit Pêcher Mignon und mit Brasilberg und geschwenkt, so dass die Glaswand benetzt war. Dann wurde jeweils der andere Likör dazu gegeben. Letztendlich war in beiden Gläsern eine Mischung der beiden Liköre enthalten. Allerdings war der Geschmack komplett unterschiedlich, einmal eher Lebkuchen und einmal eher Fruchtkorb.
Und die Moral von der Geschicht': die Reihenfolge der Zutaten spielt durchaus eine entscheidende Rolle für das Ergebnis.
Beendet wurde der offizielle Teil des Abends dann von Annick mit dem sehr treffenden Zitat:
Genuss ist wie die Liebe, denn auch er wird größer wenn man ihn teilt
Im Anschluss wurde noch in der gemütlichen Runde weiter genossen, gefachsimpelt und diskutiert. Gegen 2:30 habe ich mich dann verabschiedet (und ich war nicht der Letzte).
Mein Dank an Hagen und die Whiskygraphen für die Organisation und an Annick für die Moderation und die Vermittlung der interessanten und teilweise überraschenden Informationen und der wunderschönen und genussvollen Eindrücke.
Ich habe es wirklich nicht bereut mich zu diesem Abend überreden zu lassen und kann jedem nur empfehlen, solch eine Gelegenheit zu nutzen, wenn sie sich bietet.
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